Tierliebe
Fünfmarkstückgroß ruderte ein winziges Etwas im Bassin der Zoohandlung. „Die da Papa, die hat so lustige Flecken am Bauch“, träumte das kleine Mädchen laut vor sich hin. Ein kräftiger Mittdreißiger, Vater des berockten Knirpses, konnte den Wunsch nicht abschlagen. Immerhin, eine Wasserschildkröte macht keinen Lärm, ist relativ anspruchslos und wenn es denn unbedingt ein Haustier sein sollte, warum nicht dieses putzige Reptil. So zog „Flecki“ ins neue heimatliche Aquarium und das kleine Mädchen war’s zufrieden.
Schnell entwickelte die anfangs fingerzahme Wasserschildkröte eine eigene Persönlichkeit. Nicht jedes Futter war ihr Recht. Den Entzug favorisierten Schabefleisches, bevorzugt auf der über der Wasseroberfläche liegenden, felsigen Erhöhung eingenommen, bestrafte sie mit gnadenlosem Abtauchen in die Untiefen ihres Beckens. Viel schlimmer aber: Flecki wuchs – und mit zunehmender Größe wurde sie garstig. Streicheln ließ sie sich schon lange nicht mehr. Jeden Annäherungsversuch des kleinen Mädchens bestrafte sie mit katzenähnlichem Fauchen. Einmal schlug sie sogar erfolgreich einen ihrer paddelförmigen Füße mit voller Wucht in die Hand des kleinen Mädchens, das erschrocken und weinend den blutenden Finger aus dem Wasser zog und fortan jedes Interesse an Flecki verlor.
Nach vier Jahren, nur von gelegentlichen, katzenlautgleichen Wutentäußerungen unterbrochener, stummer Familienmitgliedschaft, war Flecki der Größe ihres Aquariums entwachsen. Eine Erweiterung der Behausung verbaten das ob ihres Haustiers überdrüssige kleine Mädchen und die zu geringe Wohnfläche.
Besorgt und mit schlechtem Gewissen unternahm der inzwischen angegraute Anfangvierziger zaghafte Versuche, das Reptil in einer artgemäßen Umgebung zu plazieren. Aber: keine Zoohandlung wollte Flecki kaufen, kein Tierheim hatte Verständnis für die großgewordene Schildkröte mit der eigenen Persönlichkeit.
So ersann der Vater einen Plan.
Ein Sonntagsausflug schien die Lösung. Heimlich steckte er Flecki in die pinkfarbene Brottasche des kleinen Mädchens, verbarg selbige unter seiner dicken Winterjacke und lud Abenteuer versprechend zu einem Besuch des Botanischen Gartens der Stadt.
Fröhlich durchwanderte das kleine Mädchen die Gewächshäuser, schwitzend keuchte der Vater mit bis zum Kragen geschlossener Jacke hinter ihr.
Endlich hatten sie den Ort angedachter väterlicher Erlösung erreicht. „Guck mal, die vielen Schildkröten“, skandierte das kleine Mädchen vor einem Wasserfall stehend, der einen kleinen Teich voll mit munter vor sich hin rudernden Schildkröten speiste. Der Vater kam sich vor wie ein Kleinkrimineller mit seinem, weitere Besucher beobachtenden Blick. Dann schien der richtige Moment gekommen, das kleine Mädchen abgelenkt, außer den beiden niemand mehr da. Blitzschnell öffnete der Vater Jacke und Brotbüchse. Schuldbewußt ergriff er Flecki, ließ sie ins Wasser gleiten. Verdutzt und plump landete das Tier mitten unter ihm fremden Artgenossen. Das kleine Mädchen bemerkte nichts, wunderte sich auch nicht als ihr der Vater die leere Brotbüchse umhängte und erleichtert seine Jacke auszog.
Die beiden schlenderten weiter, kehrten später noch einmal an den Tatort zurück. Das kleine Mädchen nahm den schuldbewußten Gesichtsausdruck des Vaters nicht wahr. Der jedoch erkannte Flecki zwischen den anderen Schildkröten, das Füßchen eines weitaus kleineren Artgenossen im Maul – nein, Flecki hatte nichts von Chelones Jungfräulichkeit.
Auf dem Heimweg flüsterte der Vater seiner Tochter zu: „Ich muß dir heute Abend eine traurige Geschichte erzählen.“ Den Rest der Bahnfahrt sann er nach über einen Wunsch, den er dem kleinen Mädchen glücklicher erfüllen könnte.
Schnell entwickelte die anfangs fingerzahme Wasserschildkröte eine eigene Persönlichkeit. Nicht jedes Futter war ihr Recht. Den Entzug favorisierten Schabefleisches, bevorzugt auf der über der Wasseroberfläche liegenden, felsigen Erhöhung eingenommen, bestrafte sie mit gnadenlosem Abtauchen in die Untiefen ihres Beckens. Viel schlimmer aber: Flecki wuchs – und mit zunehmender Größe wurde sie garstig. Streicheln ließ sie sich schon lange nicht mehr. Jeden Annäherungsversuch des kleinen Mädchens bestrafte sie mit katzenähnlichem Fauchen. Einmal schlug sie sogar erfolgreich einen ihrer paddelförmigen Füße mit voller Wucht in die Hand des kleinen Mädchens, das erschrocken und weinend den blutenden Finger aus dem Wasser zog und fortan jedes Interesse an Flecki verlor.
Nach vier Jahren, nur von gelegentlichen, katzenlautgleichen Wutentäußerungen unterbrochener, stummer Familienmitgliedschaft, war Flecki der Größe ihres Aquariums entwachsen. Eine Erweiterung der Behausung verbaten das ob ihres Haustiers überdrüssige kleine Mädchen und die zu geringe Wohnfläche.
Besorgt und mit schlechtem Gewissen unternahm der inzwischen angegraute Anfangvierziger zaghafte Versuche, das Reptil in einer artgemäßen Umgebung zu plazieren. Aber: keine Zoohandlung wollte Flecki kaufen, kein Tierheim hatte Verständnis für die großgewordene Schildkröte mit der eigenen Persönlichkeit.
So ersann der Vater einen Plan.
Ein Sonntagsausflug schien die Lösung. Heimlich steckte er Flecki in die pinkfarbene Brottasche des kleinen Mädchens, verbarg selbige unter seiner dicken Winterjacke und lud Abenteuer versprechend zu einem Besuch des Botanischen Gartens der Stadt.
Fröhlich durchwanderte das kleine Mädchen die Gewächshäuser, schwitzend keuchte der Vater mit bis zum Kragen geschlossener Jacke hinter ihr.
Endlich hatten sie den Ort angedachter väterlicher Erlösung erreicht. „Guck mal, die vielen Schildkröten“, skandierte das kleine Mädchen vor einem Wasserfall stehend, der einen kleinen Teich voll mit munter vor sich hin rudernden Schildkröten speiste. Der Vater kam sich vor wie ein Kleinkrimineller mit seinem, weitere Besucher beobachtenden Blick. Dann schien der richtige Moment gekommen, das kleine Mädchen abgelenkt, außer den beiden niemand mehr da. Blitzschnell öffnete der Vater Jacke und Brotbüchse. Schuldbewußt ergriff er Flecki, ließ sie ins Wasser gleiten. Verdutzt und plump landete das Tier mitten unter ihm fremden Artgenossen. Das kleine Mädchen bemerkte nichts, wunderte sich auch nicht als ihr der Vater die leere Brotbüchse umhängte und erleichtert seine Jacke auszog.
Die beiden schlenderten weiter, kehrten später noch einmal an den Tatort zurück. Das kleine Mädchen nahm den schuldbewußten Gesichtsausdruck des Vaters nicht wahr. Der jedoch erkannte Flecki zwischen den anderen Schildkröten, das Füßchen eines weitaus kleineren Artgenossen im Maul – nein, Flecki hatte nichts von Chelones Jungfräulichkeit.
Auf dem Heimweg flüsterte der Vater seiner Tochter zu: „Ich muß dir heute Abend eine traurige Geschichte erzählen.“ Den Rest der Bahnfahrt sann er nach über einen Wunsch, den er dem kleinen Mädchen glücklicher erfüllen könnte.
Schöne Geschichte.